Stallluft macht schlau!

6 Minuten Lesezeit

Woher kommt unsere Milch? Wie viele Eier legt ein Huhn? Warum wird aus Weizen Brot? Als Erfahrungs- und Erlebnisort beantwortet der Bauernhof nicht nur zentrale Fragen zur Herkunft unserer Nahrung. Mit seinen Tieren, seinen Feldern und Wiesen ist er ein Ort voller Freiheit und Abenteuer − aber auch Geborgenheit, wenn einen die Gastgeber mit ganzer Herzlichkeit willkommen heißen.

Vo n  B e t t i n a  K e p p l e r

 

Ein sonniger Spätsommertag Anfang September. Wiesen, Weiden und Wälder werden malerisch umrahmt von der majestätischen Chiemgauer Bergwelt. Hier, in dieser idyllischen Landschaft, liegt ein traumhafter Bauernhof, der Großeltern und Eltern beste Erholung vom Alltag und Kindern eine Zeit voller Eindrücke, Erfahrungen und Entdeckungen bietet: Traktor fahren und sich groß und wichtig fühlen. Im Stroh hüpfen, im Matsch spielen, über die Wiese sausen und bei allem ein bisschen verwildern dürfen. Den Hof entdecken, die Landluft riechen und das Leben spüren. Und vor allem die Tiere streicheln und für sie da sein dürfen. Denn Kühe, Pferde, Ziegen, Schafe oder Hühner kennen Kinder heute meistens nur aus ihren bebilderten Kinderbüchern oder über die süßen Instagram-Tierbildchen, die ihnen die Mama zeigt. Die Tage auf einem Bauernhof vermitteln Kindern viel über die Vielfalt der Natur, die Erzeugung ihrer Produkte und den nachhaltigen Umgang mit ihren Ressourcen.

WERTVOLLES WIEDERFINDEN
Einst waren es die klassischen Familienurlaube: 14 Tage
auf dem Bauernhof, mit Frühstück und Familienanschluss. Den feinen Geruch von Heu in der Nase, die beeindruckende Bergwelt vor den Augen und morgens das frische Ei auf dem massiven Tisch im urig eingerichteten Frühstücksraum. „Früher wollten die Leute einfach Urlaub in einer schönen Landschaft machen. Ein bisschen wandern, aber vor allem ausspannen“, sagt Oma Rosemarie vom Wastleicherhof. Die 67-jährige Bäuerin vermietet seit Jahrzehnten an Feriengäste. „Heute“, ergänzt sie, „kommen Familien vor allem, um ihre Kinder ein Stück weit wieder an die Natur heranzuführen. Fleisch, Eier, Milch und Gemüse gibt es ganz selbstverständlich im Supermarkt. Woher die Milch kommt und wie viel Arbeit hinter jedem einzelnen Liter steckt, das wissen die wenigsten und vor allem Kinder nicht. Der Bezug zur Landwirtschaft wie zur Natur geht ihnen immer mehr verloren“, ergänzt die Altbäuerin und beschreibt damit ein wachsendes gesellschaftliches Problem.

 

Hui! Im Heu zu hüpfen und sich wild und frei zu fühlen, macht Kindern wie Sophia sehr viel Spaß.

 

Meerschweinchen, Wastleicherhof
Auf dem Wastleicherhof gibt es rund 200 Tiere: von kleinen Meerschweinchen bis hin zu den großen Milchkühen.

 

 

LIEBE ZUM LEBENDIGEN
Was waren das noch für Zeiten! Kinder spielten im Wald, bau
ten kleine Hütten zwischen den Bäumen und stauten Dämme im Bach. Sie sausten über Wiesen und Felder und kamen erst gegen Abend – meist dreckig, aber glücklich – nach Hause. Heute geht Kindern, vor allem Stadtkindern, mehr und mehr der Bezug zur belebten Natur verloren. Statt rauszugehen und die Natur spielerisch zu erkunden, werden Kinder zu gut gehüteten Stubenhockern. Ausgestattet mit Computer, Internet und einem umfassenden theoretischen Wissen darüber, was in der Natur geschieht, mit wenig aktivem Bezug zu diesem besonderen Erfahrungsraum mit all seinen positiven Aspekten. Dabei ist der Kontakt zur Natur ein elementares menschliches Bedürfnis. Von Geburt an bestimmt die „Biophilie“, die Liebe zum Lebendigen, unser aller Denken und Handeln. Etwa, wenn Kinder sprechen lernen. Nach den Wörtern „Mama“ und „Papa“ artikulieren sie Tierlaute wie „Muh“, „Wauwau“ oder „Mäh“. Und das nicht ohne Grund: Von klein auf üben Tiere auf Kinder eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Ohne die Nähe zu Tieren und auch Pflanzen verkümmert ihre emotionale Bindungsfähigkeit, schwinden Empathie, Fantasie, Kreativität und Lebensfreude.

NEUES (SELBST-)VERTRAUEN ENTWICKELN
Auf einem Bauernhof lernen Kinder nicht nur
sehr viel darüber, woher die Milch kommt oder wie viele Eier ein Huhn legt. Sie bauen insgesamt eine besondere Verbindung zu allem Lebendigen auf. Auf dem Wastleicherhof werden sie dabei gerne von der Bauerstochter Sophia an deren kleine Hand genommen. Das achtjährige offenherzige und selbstbewusste Mädchen führt die Gastkinder über den Hof und stellt ihnen stolz die gesamte hiesige Tierwelt vor. Von Meerschweinchen über Hasen, Hühner, Gockel, Schafe, Ziegen, Pony, Pferde bis hin zu Milchkühen und deren Nachkommen warten hier rund 200 Bauernhoftiere darauf, beobachtet, gestreichelt oder versorgt zu werden. Mehr und mehr verlieren dabei Kinder ihre Scheu, fassen neues Vertrauen zu all den gackernden, grunzenden und gurrenden Geschöpfen – und vor allem zu sich selbst. „Der Kontakt zu den Tieren gibt den Kindern viel Gutes. Sie fremdeln am Anfang ihres Aufenthalts mitunter arg. Und es ist sehr herzig zu sehen, wie beim Streicheln und Füttern von Meerschweinchen, Hasen, Hühnern oder unseren Ponys alle Kinderaugen zu leuchten beginnen, die Kleinen sich von Tag zu Tag mehr trauen und am Ende des Aufenthalts gar nicht mehr nach Hause wollen“, erzählt Alina, die Bäuerin vom Wastleicherhof, lachend.

Der Wastleicherhof ist Familiensache und hat eine lange Tradition. Auch die kleine Sophia will wie ihre Mutter Alina einmal Bäuerin werden.

 

Die wilde Ponymähne flechten Großmutter und Enkelin gerne gemeinsam.

 


WOHNKOMFORT MIT WISSENSSCHATZ

Die 39-Jährige ist eine Gastgeberin, wie man sie sich
herzlicher nicht wünschen kann. Zusammen mit ihrem Mann, Bauer Matthias, sowie dessen Eltern Rosemarie, 67, und Hermann, 68, bewirtschaftet sie den traditionsreichen Hof, dessen Geschichte bis ins 15. Jahrhundert reicht und der heute Viehwirtschaft, Grünland, Ackerland und Wald umfasst. Landwirtschaft ist hier Familiensache. Alle helfen mit, leisten ihren Beitrag bei unterschiedlichen Arbeiten. Während Bauer Matthias sich mit seinem Vater Hermann um den Milchviehbetrieb kümmert, sorgen sich Rosemarie und Alina um das zweite Kerngeschäft: den Wastleicherhof als herrliches Feriendomizil! „Seit den 50er Jahren sind Feriengäste auf dem Wastleicherhof herzlich willkommen. Damals haben wir begonnen, Zimmer mit fließend Wasser an ‚Sommerfrischler‘ zu vermieten, die in der warmen Jahreszeit Erholung vom Stadtleben suchten“, erzählt Rosemarie rückblickend. Die ersten Ferienwohnungen entstanden dann in den 70er Jahren. „Heute bietet der Wastleicherhof fünf exquisite Fünf-Sterne-Ferienwohnungen, die, in den alten Kuhstall und in die Hochtenne gebaut, allen Gästen ein ebenso exklusives wie authentisches Feriengefühl vermitteln“, ergänzt Bäuerin Alina stolz

Kuhstall Wastleicherhof
Enkel Sebastian hilft häufig seinem Großvater Hermann im Kuhstall und kann sich ein Leben ohne Tiere nicht vorstellen.

 

MITMACHEN ALS FERIENSPASS
Mit sehr viel Liebe zum Detail hat Alina mit ihrer Fa
milie aus einer alten Scheune einen Ort mit exklusivem Wohnkomfort geschaffen, der für viel Wohlgefühl sorgt und für Kinder eine Menge Wissenswertes bereithält. Sie sollen den Alltag auf einem Bauernhof mit seinen vielen Aufgaben und Anforderungen mit allen Sinnen erfahren und erleben. Aktive Einbindung in das landwirtschaftliche Geschehen der kleinen Feriengäste steht ganz oben auf der Agenda. „Bei uns gibt es feste Zeiten zum Mithelfen und Mitmachen. Dazu gehören Kälbchen füttern, ausmisten, Ponys striegeln und reiten oder mit Bauer Matthias auf dem Traktor mitfahren. Die Kinder erleben somit den Alltag auf einem Bauernhof, vom Säen bis zur Ernte, vom Füttern bis zum Ausmisten, von den Kälbchengeburten bis zum Abtransport zum Schlachthof “, erklärt Rosemarie, die nicht nur von ihren Enkeln Sebastian und Sophia liebevoll „Oma“ gerufen wird, sondern auch von den kleinen Feriengästen.


NAH UND VERTRAUT

Gerade hat sie mit ihrer Enkelin Sophia und zwei Fe
rienkindern die frisch gelegten Eier eingesammelt, während ihr Enkel Sebastian seinem Opa Hermann im Kuhstall beim Strohausbringen hilft. 70 Milchkühe und deren Nachzucht leben auf dem Wastleicherhof und wollen versorgt werden. Der zehnjährige Sebastian kann sich gut vorstellen, auch mal Bauer zu werden, packt gerne im Stall mit an und ist praktisch mit jeder Kuh „per Du“. Auch mit „Berta“. Die rund 700 Kilogramm schwere Milchkuh beäugt den kleinen Jungen gutmütig, wie er unter geduldiger Anleitung seines Opas geschickt mit der Gabel das frische Stroh auffächert. „Der Sebastian hat viel Freude an der Landwirtschaft und er wird bestimmt mal ein richtig guter Bauer“, kommentiert Opa Hermann stolz und vorausblickend die Arbeit seines Enkels. Der krault der Kuh vertraut die Stirnhaare und kann sich ein Leben ohne „Berta“, ohne Tiere und ohne Bauernhof gar nicht vorstellen. Auch die beiden Ferienkinder, die gerade noch ebenso fleißig wie vorsichtig mit Oma Rosemarie bei den Hühnern Eier eingesammelt haben, genießen die neu entdeckte Nähe zu all den kleinen und großen Tieren, wie überhaupt ihre Zeit hier auf dem Bauernhof. Für sie – wie für die meisten Kinder – sind Kühe der Inbegriff des Bauernhofs und der Besuch im Kuhstall etwas ganz Besonderes. Voller Respekt stehen sie nun vor „Berta“, unsicher im Umgang, aber voller Freude über diesen Moment. Vorsichtig strecken sie ihre kleinen Hände nach dem mächtigen Kopf der Kuh aus und sind einem großen Tier so nah wie nie. Schade, dass es bald wieder nach Hause geht! Aber, und da sind sie sich wie all die anderen Ferienkinder ganz sicher: Nächstes Jahr wollen sie wiederkommen auf den Wastleicherhof.

 

Alle Informationen zum Wastleicherhof unter www.wastleicherhof.de

 

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