„Wir müssen die Chance zeigen, die in der Krise liegt“

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Da sie möchte, dass ihre Enkelkinder in einer gesunden Umwelt groß werden, gründete Cordula Weimann die „Omas for Future“. Mit der Bewegung möchte sie ihre Mitmenschen aufklären und für den Klimaschutz begeistern.

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Die bunten Bänder stechen als Erstes ins Auge. An den Sonnenschirm geknotet, wehen sie im Wind und lassen interessierte Fußgänger stehen bleiben. „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ steht da zum Beispiel handgeschrieben auf einem Band oder „Kein Plastik im Meer“ auf einem anderen. Aufgeschrieben wurden die sogenannten Klimawünsche von Passanten und Passantinnen, aber auch von Mitgliedern der Ortsgruppe Freiburg der „Omas for Future“, die an diesem Samstag auf einem kleinen Platz hinter dem Freiburger Münster ihren Infostand neben dem Sonnenschirm aufgebaut haben. Inmitten der Gruppe: Cordula Weimann, die Gründerin der bundesweiten Bewegung.


ALLTAGSTIPPS FÜR JEDEN

Die 63-Jährige ist an diesem Tag mit dem Zug aus Leipzig
angereist, wo sie lebt und im Jahr 2019 die erste Regionalgruppe der „Omas for Future“ gründete. Damals, so erzählt sie, sei sie in einem Seminar gewesen, in dem eine andere Teilnehmerin sagte, wie sehr sie der Klimawandel mitnehme und dass sie ja gar nichts dagegen tun könne.

„Hä?“, habe sie damals geantwortet und schmunzelt beim Erzählen. „Du kannst nichts tun? Du kannst doch ganz viel tun!“ Als sie anfängt, auf einem Zettel aufzulisten, was jeder und jede ganz einfach im Alltag umsetzen kann, sammeln sich schnell andere Frauen um sie. „Die sagten alle: Oh, das wusste ich ja gar nicht“, erzählt sie weiter von dem Erlebnis. Daraufhin sei ihr klar geworden, dass viele es tatsächlich nicht wissen. „Keiner will absichtlich seine Lebensgrundlage zerstören“, ist sie sich sicher. „Das wäre ja absurd!“Gemeinsam mit ihrem Bekannten Dr. Harry Lehann, einem Experten im Bereich Umwelt- und Ressourcenschutz, gründet sie den gemeinnützigen Verein „Leben im Einklang mit der Natur“. Ihr Ziel: Menschen darüber informieren, welche Auswirkungen ihr Alltags- und Konsumverhalten auf Mensch und Natur hat und wie es beispielsweise beim Kochen, Heizen oder Reisen gelingen kann, nachhaltiger zu leben. Kurz darauf fällt ihr im Gespräch mit ihrer Tochter eine Frau mit einem selbst gemalten „Omas for Future“-Schild ein, die sie im Januar 2019 auf einer der Freitagsdemonstrationen gesehen hat. „Dieser Bewegung wollte ich mich anschließen“, erinnert sie sich und lächelt verschmitzt. Bei einer kurzen Recherche im Internet stellt sie jedoch fest, dass es noch gar keine Bewegung gibt. Kurz entschlossen, kauft sie daraufhin die Domain www.omasforfuture.de und gründet wenige Zeit später die erste Ortsgruppe in Leipzig.

Auf den „Klimabändern“ sammeln die „Omas for Future“ Wünsche und Botschaften aus ganz Deutschland. Gründerin Cordula Weimann schrieb auf ihr Band „Bio um jeden Preis“.
Auf den „Klimabändern“ sammeln die „Omas for Future“ Wünsche und Botschaften aus ganz Deutschland. Gründerin Cordula Weimann schrieb auf ihr Band „Bio um jeden Preis“.

 

Das Erkennungszeichen der „Omas for Future“: Erdherz.
Das Erkennungszeichen der „Omas for Future“: Erdherz.


HANDELN AUS LIEBE

Inzwischen gibt es über 70 Gruppen über ganz Deutsch
land verteilt, die für Klima- und Ressourcenschutz sowie Artenvielfalt auf die Straße gehen. Immer mit dabei: die blaugrünen Herzen aus Pappe, die die Erde symbolisieren und für das Motto der „Omas for Future“ stehen „Handeln aus Liebe zum Leben“. Damit sich die Gesellschaft verändern könne, ist sich Cordula Weimann sicher, müsse sie weg von der materialistischen Denkweise, die uns weismachen wolle, dass Glück an Konsum und Produkte gekoppelt sei. „Wir brauchen wieder dieses Fühlen der Natur, der Verbundenheit und der Liebe“, betont die 63-Jährige und fasst sich entschlossen mit einer Hand ans Herz. „Und dafür müssen wir Frauen ran.“ Die Mission der „Omas“, wie Weimann die Bewegung oft abkürzt, sei es, dass ihre Enkelkinder in einer gesunden Umwelt groß werden können.

Ein Schlüsselmoment für Weimann war daher auch, als ihr beim Fahrradfahren mit einem ihrer Enkel plötzlich klar wurde, dass sie sich selbst bei Weitem nicht genug für dessen Zukunft einsetzte: „In dem Moment fragte ich mich plötzlich: Warum bringe ich ihm eigentlich das Radfahren bei, erforsche mit ihm die Natur, sehe zu, dass er morgens ein gesundes Müsli bekommt, und fördere ihn?“, erzählt die dreifache Oma. „Das macht doch alles gar keinen Sinn, wenn ich gleichzeitig jeden Tag mit meinem eigenen Handeln seine Zukunft zerstöre.“ Dieser Moment habe ihr den Boden unter den Füßen weggezogen, sagt sie und man hört die Emotion in ihrer Stimme. Und sie sei sich sehr verlogen vorgekommen. 

Seit der Gründung ihres Vereins achtet daher auch Cordula Weimann noch mehr darauf, ihr Handeln nachhaltig und klimaschonend zu gestalten. Zwar habe sie sich und ihre drei Töchter schon immer hauptsächlich vegetarisch und mit biologischen Lebensmitteln ernährt und als Unternehmerin im Bereich Sanierungen schon vor 45 Jahren mit natürlichen Materialien gearbeitet. Doch lange Zeit ist auch sie mit einem Sportwagen gefahren und hat Flugreisen unternommen. „Meine alten Kleidungsstücke trage ich inzwischen auf jeden Fall mit noch mehr Freude“, sagt sie und zeigt lachend auf ihre rote Jacke: „Die hier ist zum Beispiel schon 20 Jahre alt! “Dass ein nachhaltiger und klimafreundlicher Lebensstil nicht gleich Verzicht bedeutet, möchten Weimann und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auch ihren Altersgenossen vermitteln. Anstatt mit dem erhobenen Zeigefinger den Weltuntergang zu prophezeien, weisen die Omas und Opas bei ihren Aktionen und Infoveranstaltungen deshalb vor allem auf die Möglichkeiten einer nachhaltigen Lebensweise hin. „Wenn wir die Erde retten wollen, müssen wir die Chance zeigen, die in der Krise liegt“, ist sich die Gründerin sicher. „Und diese Chance ist, dass wir eine menschengerechtere, grünere und sauberere Zukunft haben.“

„Fast 60 Prozent der Wähler in Deutschland sind über 50“, sagt Weimann. Mit ihren Aktionen möchte die Bewegung daher vor allem diese Generation erreichen.
„Fast 60 Prozent der Wähler in Deutschland sind über 50“, sagt Weimann. Mit ihren Aktionen möchte die Bewegung daher vor allem diese Generation erreichen.


BUNDESWEITES
ENGAGEMENT
In über 70 Regionalgruppen setzen sich die Mitglieder (es gibt auch ein paar Opas in den Gruppen) von „Omas for Future“ in ganz Deutschland für den Klimaschutz ein. Ziel der Bewegung ist es, Bürger und Bürgerinnen niederschwellig darüber zu informieren, was jeder und jede im Alltag tun kann, um das Klima und die Umwelt zu schützen. Dafür stehen die Gruppen zum Beispiel mit Infoständen in Fußgängerzonen, gehen auf Klimademos, geben Workshops an Schulen oder in Altersheimen oder pflanzen Bäume. Mehr Infos zu den Aktionen, eine Übersicht der Regionalgruppen sowie Kontaktmöglichkeiten gibt es auf www.omasforfuture.de

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